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Strassen voller Hupkonzerte - Hanoi, Vietnam

Aktualisiert: 12. Mai 2023

Schlaflos durch die Nacht


Es ist 14:35 Uhr. Das Gate hat geschlossen, die Türen ebenfalls, und die Gurte sind angelegt. Das Flugzeug rollt los. Es trägt uns der Nacht entgegen nach Dubai, wo ein weiteres Flugzeug auf uns wartet - diesmal in die Richtung der aufgehenden Sonne, die wir inmitten des Wolkennebels nicht sehen können. Nach etwa 24 Stunden Reise um die halbe Erde, einem Taxifahrer, der nicht wirklich Englisch spricht, einer Fahrt zum Hostel, die in ihrer Hektik und Geschwindigkeit an ein Autorennen aus einem Videospiel erinnert, und einer Nacht, in der wir nur etwa zwei Stunden Schlaf bekommen haben, kollabieren wir im Hostelzimmer (nach einer ausgiebigen Dusche) auf unser Bett.


Aber wir sind angekommen - in Hanoi, der Hauptstadt von Vietnam.




Hoi aus Hanoi


"Wir" meint übrigens mich und meine Freundin Mia, die mich zwei Wochen lang beim Reisen begleitet. Zwei weitere Wochen hänge ich noch mit Solo-Reisen an. Als wir uns, etwas erholt und erfrischt, aus unserem Hostel wagen, empfängt uns die Strasse mitten in der Altsadt mit einem Hupkonzert. (Wir durften später merken, dass dieses wohl nicht exklusiv uns galt, da es sich den ganzen Abend und den gesamten nächsten Tag weiterzog).


Hanoi ist in diesem Sinne anders als jede Stadt, in der ich je gewesen bin. Es wimmelt von Mofas und Motorrädern, die in Wellen durch die Strassen dröhnen - in jeder erdenklichen Geschwindigkeit, Grösse, Lautstärke und Farbe. Sie führen allerlei interessante Passagiere und Fracht mit sich:


Eine nicht vollständige Liste von Dingen und Menschen, die ich bisher auf einem (oder gebunden an ein) Mofa gesichtet habe, umfasst: Hühner und Vogelkäfige, ein Fahrrad, Teppiche, ein Bündel langer Besen, 7 grosse Benzinkanister, diverse Familien à 2 Erwachsene und 2 Kinder, ein grosses Tablett voller Früchte (balanciert auf der Hand der Fahrerin), Pakete, die den Fahrer um einen Meter überragen ... hier ein paar Fotos, um einen Eindruck zu erhalten:



Mia und ich hatten in den letzten Tagen reichlich Gelegenheit, das Verhalten von Motorradfahrern ausführlich zu studieren, analyieren und interpretieren. In der Folge habe ich eine Anleitung erstellt, das dem Neuling oder Aussenseiter Einblick gibt in die komplexen Verhältnisse der vietnamesischen Verkehrsregeln.


 

Verkehrsregeln für Motorrad- und Mofafahrer

  1. Der Verkehrsteilnehmer vor Ihnen ist in jedem Fall zu überholen.

  2. Bremsen ist nicht gestattet. Stattdessen, versuchen Sie es mit Hupen.

  3. Anderen Verkehrsteilnehmern Vortritt gewähren ist nicht gestattet. Stattdessen, versuchen Sie es mit Hupen.

  4. Anhalten ist unter keinen Umständen gestattet. Stattdessen, versuchen Sie es mit Hupen.

  5. Sollte vor Ihnen ein Fussgänger die Strasse überqueren, beschleunigen Sie Ihr Fahrzeug.

  6. Verkehrssignale sind nicht zu beachten. Stattdessen, versuchen Sie es mit Hupen.

  7. Fussgängerstreifen sind nicht zu beachten. Stattdessen, versuchen Sie es mit Hupen.

  8. Sollten Sie beim Links-Abbiegen mit einer Verzögerung rechnen, fahren Sie zunächst auf der Gegenfahrbahn weiter, um den Verkehrsfluss nicht zu stoppen.

  9. Sollte eine unübersichtliche Situation auftreten, versuchen Sie es mit Hupen.

  10. Beladen Sie Ihr Fahrzeug mit allem, was Sie finden, um Dominanz im Verkehr herzustellen.

  11. Sollten Sie aus unerfindlichen Gründen gezwungen sein, anzuhalten, um ihr Fahrzeug zurückzulassen, parkieren Sie es quer über den Bürgersteig, um zögerlichen Fussgängern den Einstieg in den Strassenverkehr zu erleichtern.

  12. Sollten diese Fussgänger gezwungenerweise auf der Strasse laufen müssen, um geparkte Fahrzeuge zu umgehen, versuchen Sie es mit Hupen. In einem weiteren Schritt, versuchen Sie es mit Überfahren..


 


Orchester für die Sinne


Das zweite Merkmal der Stadt, das mir sofort auffiel, ist das Essen. An jedem Ecken und entlang beinahe jedem Trottoir findet man Stände oder gegen die Strasse offene Restaurants. Sie werden gekennzeichnet durch charakteristische rote oder blaue Plastiktische und Plastikstühle, von denen die Strassen gesäumt sind. Die Stühle sowie die Tische sind so klein, dass sogar ich, mit meiner nicht sehr überragenden Grösse, manchmal Mühe habe, bequem zu sitzen. Das wird aber mehr als wettgemacht durch die Kombi an leckerem und unglaubluch günstigem Essen. Gebratener Reis, Nudeln, Frühlingsrollen... quasi die Hälfte meiner Lieblingsgerichte auf eine Stadt konzentriert. Schon beim durch die Strassen spazieren lassen mir die Düfte immer wieder das Wasser im Mund zusammenlaufen. Oft sprechen die Standbesitzer nicht wirklich Englisch, aber durch Zeigen und Gestikulieren kann man sich trotzdem verständigen - und when in doubt, ask Google Translate.


Die Farben, Laute und Düfte fügen sich also wahrhaftig zu einem Orchester für die Sinne zusammen - bei dem auch immer wieder ein schmerzhaft lautes Quitschen mitspielt, oder ein Hup-Solo die Bühne dominiert.




Hanoi im Fokus


Das Fotografieren in Hanoi ist ein Abenteuer. Die grösste Portion Nervenkitzel kommt von der Tatsache, dass man vor dem Verkehr nirgends sicher ist. Mofas ausweichen, Fussgänger vorbeilassen, Autos im Blick behalten, einander nicht aus den Augen verlieren, Fokus und Licht einstellen, Motive suchen... Multitasking mit einer Prise Survival-Training. Die Fotomotive allerdings finden sich leicht - Hanoi ist voll von Leben, von leuchtenden Farben und von Kontrasten - letzteres sowohl im visuellen als auch im übertragenen Sinne.



Ich merke gerade, dass ich etwas von meinem chronologischen Erzählstrang abgeraten bin. Vielleicht hängt das damit zusammen, wieviele Momente und Erinnerungen in meinem Kopf ein tosendes Meer an Eindrücken formen, das zu navigieren nicht ganz einfach ist. Der Klarheit halber: Die Fotos und Erzählungen oben stammen vom ersten Abend und dem ersten Tag in Hanoi. Danach ging es mit einer 16-stündigen Busfahrt weiter Richtung Süden - aber davon später mehr... nun verabschiede ich mich erstmal und mache mich auf für eine mehrtägige Motorradtour. (auch davon später mehr;))





PS: Diesen Beitrag schreibe ich übrigens zum Zeitpunkt, an dem die ersten beiden Wochen schon vorbei sind. Ich tippe ihn in verschiedenen Cafés und Restaurant, während ich erfrischende Säfte oder Frappuccinos geniesse und vor Leben wuselnde Strassen überblicke. Ursprünglich hatte ich geplant, wie bei meiner Nordeuropa-Reise fortlaufend Blogeinträge zu verfassen, aber dazu läuft hier einfach zu viel. Die restliche Reise werde ich wohl erst dokumentieren, wenn ich wieder zuhause bin. Sorry an alle, denen ich etwas anderes angekündigt habe ;)

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