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Ha Giang - In tausend Kurven durch Vietnams Norden

Aktualisiert: 14. Sept. 2023

In der nördlichsten Spitze Vietnams liegt der Ha Giang Loop. In 350 Kilometern winden sich Strassen in engen Kurvenlinien über spektakuläre Bergpässe und durch überwachsene Täler. Es ist mittlerweile etwa ein halbes Jahr her, seit ich dort war und die Strecke während drei Tagen vom Motorrad aus erlebt habe - aber wenn ich meine Texte von damals lese, werden all die Fotos von dort für mich wieder lebendig.



Der Wind rauscht, die Motorräder brummen, und ich kann es nicht fassen - wie atemberaubend schön es ist. Reisfelder, die sich in stufenförmigen Terassen an Berghänge schmiegen und im Abendlicht warm glänzen; Wellen und Wellen von Bergen in der Ferne in einer Symphonie von heller werdenden Blautönen, die sich in der Ferne mit dem Himmel vermischen.



Als kleine Hintergrund-Info: Ich bin mit etwa 20 anderen Reisenden unterwegs, und die meisten von uns fahren nicht alleine, sondern hinter einem Easy-Rider auf dem Motorrad. Die Drivers kennen die Strecke in- und auswendig, und bei manchen der Strassen (und der anderen Verkehrsteilnehmer wegen) bin ich sehr froh darum, einfach entspannt mitfahren und den Ausblick bestaunen zu können.



Ähnlich faszinierend wie die Landschaft sind die Menschen, die uns begegnen. Sie wandern oder fahren die Strassen entlang, von klein bis gross, beladen mit Schultheks, Holzbündeln, oder Käfigen mit Ziegen, die hinten auf dem Mofa befestigt sind. In den Dörfern stehen oft Gruppen von Kindern an der Strasse, strahlend und aufgeregt, und halten ihre Hände für High-Fives von vorbeifahrenden Gruppen bereit - um dann bei Erfolg in einen Jubel auszubrechen, der mir stets das Herz erwärmt.



Sie sind voller Kontraste, die Menschen dieser abgelegen Gegend, wo Dörfer sich in Tälern verstecken, die zu Fuss viele Tage von der nächsten Stadt entfernt sind. Bunte, traditionelle Gewänder und Kopfbedeckungen sind nicht selten kombiniert mit Nike-Schuhen, und rostige Werkzeuge, Heu und Farmtiere werden auf Motorrädern oder aber auch in geflochtenen Körben auf Rücken oder Kopf transportiert.


In der Provinz Ha Giang leben dutzende verschiedene ethnische Gruppierungen mit jeweils eigener Sprache, Tradition und Kultur, die lange Zeit kaum Kontakt zu den grösseren Ortschaften und Städten Vietnams hatten. Diese Vielfalt ist spürbar und erkennbar, auch wenn wir leider kaum Zeit hatten, viel mit den einheimischen Menschen in Kontakt zu treten. Wäre ich länger in Vietnam gewesen, hätte ich liebend gerne ein paar Wochen in einem der kleinen Dörfer verbracht, um diese Welt ein Stückchen mehr kennenzulernen.



In kleinen Cafés und Ständen der Strecke entlang kann man Wasser und Verpfelgung kaufen - und die Aussicht geniessen.



Am zweiten Tag fahren wir eine Strecke mit einer Strasse, die mit all ihren Schlaglöchern diesen Namen kaum verdient. Roter Staub wirbelt unter den Rädern auf und legt und klebt sich auf absolut alles - am liebsten aber auf meine Haut, die von der Hitze schweissnass ist. Ich kralle meine Hände in die Seiten meines Sitzes, um nicht bei jeder Unebenheit fast vom Motorrad zu fliegen. Erbarmungslos brennt die Sonne auf uns nieder, und so dankbar ich für das schöne Wetter bin, ich würde in diesem Moment vieles geben für kalten Regen auf meiner Haut.


An diesem Tag werfe ich auch meinen ersten Blick auf China - wir sind am obersten Punkt eines Hügels, und der Guide streckt seinen Arm aus: "Dort drüben. Die hinterste Reihe von Bergen - das ist jenseits der Grenze, dort ist China."



Verschwitzt und müde suchen wir uns abends einen Weg über die Felsen und schmalen Pfade, bis sich vor uns ein Wasserfall auftut. Rauschend, türkis, von wucherndem Grün umgeben, mit einem kleinen Café am Felshang gegenüber, wo Kaffee und kalte Getränke verkauft werden. Erfrischend kühles Wasser lädt Gruppen von Reisenden zum Baden ein, und wer noch nicht erschöpft genug ist, kann die Felswand nach oben kraxeln und 5 oder 10 Meter nach unten ins Becken springen.




Am nächsten Morgen beginnt es zu regnen - in Strömen. Endlose Wasserfäden fallen vom Himmel hinunter auf die Erde, und wir sind schon recht besorgt um den Ausgang der Tour - bis es fast so plötzlich aufhört, wie es begonnen hat. Nur silbrige Nebel liegen noch in der Luft, und die Bäume und Pflanzen sind getränkt von Wasser. Alles wirkt noch eine Spur grüner, ein Stück lebendiger. Die ganze Umgebung hat sich von trockenen Gebirgszügen in eine beinah tropisch wirkende Szenerie verwandelt. Nachdem wir - in ausnahmsweise nicht halsbrecherischem Tempo - einen bunten, lokalen Markt passieren, dürfen wir während dem letzten Streckenabschnitt die Landschaft in einem wortwörtlich anderen Licht bestaunen, mitten in Nebeln, Wolken, und tropfenden Wäldern.




Nach 3 Tagen ist mein Kopf berstend voll mit Eindrücken, die ich erst mal verarbeiten muss. Was ich aber damals schon klar sagen konnte, und heute nur bestätigen kann: Sollte ich je wieder nach Vietnam reisen, würde ich als erstes zum Ha Giang Loop zurückkehren wollen.


Ich hoffe, die Fotos und Texte vermitteln ein Stück von dem, was ich sehen durfte - und nun bin ich sehr gespannt, wieviele Monate ich brauche, bis ich den nächsten Vietnam-Blogeintrag fertig habe ;)

lg Joanna



PS: Vom Motorrad aus habe ich viele Fotos während der Fahrt gemacht (und dabei einfach darauf gehofft, dass mein Driver gekonnt alle Schlaglöcher umfährt, denn das mit dem Festhalten und Fotografieren gleichzeitig ist so eine Sache).

Hier eins davon, bei dem das Timing wirklich gestimmt hat:



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