Und ich seh dich
Seh dich verschwommen
Schwimme im Lärm
Und hab deine Stimme vernommen
Meine selbstgemauerten Grenzen
Die deine Frequenzen
Oft einfach blockieren
Hier, im Getümmel und Gedrängel
Meiner Gedanken, meiner Mängel
Und doch kann ich dich erkennen
Im warmen Lächeln durch die Menge
In Händen, die sich zaghaft berühren
Gereichte Hände
Gefallene Wände
Ich sehe dich schwammig reflektiert
Dort, wo die Wut ihren Boden verliert
Ein Spiegelbild von dir
Im unvolkommenen Hier
Wenn Fremde offene Türen finden
Und wir ihnen ihren Wunden verbinden
Wenn Frieden statt einer Emotion
Und einem gesungenen Ton
Sich in einen fassbaren Zustand verwandelt
Der von deiner Vergebung handelt
Wenn Stein auf Stein
Nicht ich, nicht mein
Sondern ich dir dein
Glück und dein Wohlergehen
Über dem meinen stehen sehe
Ich sehe dich in leisen Klängen
Gesummten Gesängen
Die Stille durchbrechen
Und von deiner Schönheit sprechen
Und nein
Es ist nicht leicht
Doch gerade in der Finsternis
Wo ich mein scheinbares Fundament vermiss
Scheinst du viel heller da zu sein
Du, das Licht der Welt
Der mich trägt und hält
Und ich staune
Dass du
Auf diesem Punkt, blau und klein
In dieser einen Galaxie
Mich siehst und sagst, du bist mein
Ich staune und ich weiss nicht wie
Du es aushältst, unter uns zu wohnen
die Lieder über Liebe vertonen
Die ständig betonen
Was richtig wäre
Die nachts, am Meer
Die von dir gemachten Sterne betrachten
Und am Tag unsere Nächsten für ihre Fehler verachten
Und doch bleibst du da
Wo dich einst ein Mensch gebar
Und ich seh wie die Strahlen
Deines Lichts
Um mich herum Geschichte malen
Wenn wir uns an Frieden probieren
Und durch deine Hoffnung unsere Angst verliern
Wenn aus Asche Schönheit entsteht
Rauch vergeht
Und jemand in den Trümmern Neuanfang sät
Wenn aus zerbrochenen, zertrümmerten Scherben
Des Krieges verwundete Erben
Miteinander für Versöhnung werben
Wenn kalte, innere Gleichgültigkeit
In der Gegenwart deiner Barmherzigkeit
Zu Tränen schmilzt, die unsere Augen füllen
Und wir unsere Trauer nicht verhüllen
Wenn unsere Graben aus Versagen
Eine Brücke voller Stücke
Aus Gnade finden
Und bittere Gedankenfetzen schwinden
Dann sehe ich dich
Vielleicht verschwommen
In beschlagenen Fensterscheiben
Vielleicht als Spiegelbild in Wellen, die im Wasser treiben
Vielleicht auch nur ansatzweise
Du
Für den und durch den und in dem alle Dinge sind
Und ich Wasser für meine Wüste find
So dass Pflanzen spriessen
Wo deine Hände meine trockene Erde giessen
Du
Die Liebe, die es aushält in unserer Mitte
Die nicht weicht, da wo zornige Tritte
Deine Vergebung zu Boden treten
Und ich kann nur beten
Und ich sehe dich
Wie du mit meinen krummen Krakeleien
Gerade Linien ziehst
Deine Farben den meinen ein Leuchten verleihen
Du
Empfänger meiner stockenden Zeilen
Und den Gebeten, die zwischen den Zeilen verweilen
Ich sehe dich, Empfänger trotzig geschleuderter Gebetsfetzen
Die aus meinen Gedanken gen Himmel hetzen
Wenn mich Zweifel zerreiben
Und mich Ängste einverleiben
Durch all das und in all dem seh ich dich
Und weiss - schon viel länger siehst du mich
Diesen Text habe ich im vergangenen Mai im Rahmen einer Predigtreihe in meiner Kirche vorgetragen. Er ist inspiriert von und angelehnt an einen Poetry-Text aus dem Just People Kursbuch von StopArmut.
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